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Titel: «Wir wollten zuerst auf die Opfer schauen und nicht auf die Akten»
Autor: MB
Quelle: https://www.ref.ch vom 25.3.2024

Missbrauch in Institutionen ist in Österreich früher als in anderen europäischen Ländern aufgearbeitet worden. Der evangelische Bischof Michael Chalupka erläutert, warum eine unabhängige Stelle zuständig ist und was diese Zusammenarbeit bringen kann.

Bischof Chalupka, Missbrauch im kirchlichen Umfeld wurde beispielsweise im Auftrag der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz oder der Evangelischen Kirche Deutschland historisch aufgearbeitet. Die Evangelische Kirche in Österreich hingegen hat eine unabhängige Opferschutzorganisation damit beauftragt. Betroffene können sich dort melden. Will die Kirche nichts damit zu tun haben?
Ganz im Gegenteil. Uns war es wichtig, dass wir zuerst auf die Opfer schauen und nicht auf die Akten. Das heisst nicht, dass wir damit nichts zu tun haben wollen. Wir wollen aus den Fällen lernen. Wir gingen davon aus, dass Betroffene, welche die Kirche als Tätersystem wahrnehmen, sich an eine unabhängige Stelle wenden möchten. Deshalb suchten wir die Zusammenarbeit mit der Opferschutzorganisation «Weisser Ring».

Das ist ein anderer Ansatz als etwa in Deutschland, wo die Aufarbeitung der Fälle in der Vergangenheit am Anfang stand…
…wobei auch bei uns eine historische Aufarbeitung stattfindet. Der «Weisse Ring» definiert einerseits Entschädigungszahlungen oder Therapiemöglichkeiten. Andererseits spricht er auch Empfehlungen aus. Dass wir jetzt eine umfassende Gewaltschutzrichtlinie haben, ist ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit.

Seit 2011 werden alle Fälle von Gewalt und Missbrauch im Umfeld der Evangelischen Kirche in Österreich zur Anzeige gebracht. Von wie vielen Fällen sprechen wir?
In diesem Zeitraum wurde ein Vergehen angezeigt. Zu diesem Übergriff kann ich aber nichts sagen, weil der Fall bei der Staatsanwaltschaft liegt. Die Zahl verjährter Fälle ist jedoch höher. 220 Personen haben sich beim «Weissen Ring» gemeldet, mit Vorfällen aus der Zeit zwischen 1945 und 1999. Entschädigungszahlungen wurden in 190 Fällen geleistet. Es kann aber auch jemand keine Entschädigung erhalten und trotzdem übernimmt die Kirche die Kosten für Therapiestunden.

Können Sie den Ablauf beschreiben von der Meldung des Vorfalls bis zur Zahlung?
Die Betroffenen wenden sich an den «Weissen Ring» und weisen nach, was ihnen geschehen ist. Eine Expertenkommission entscheidet, wie plausibel die Schilderung ist. Danach empfiehlt sie Entschädigungen und zum Beispiel auch die Übernahme von Therapien. Kirche oder Diakonie halten sich daran – da gibt es weder Diskussion noch Einspruch: Wir haben uns verpflichtet, die Entscheide zu akzeptieren und umzusetzen.

Das ist eine weitreichende Verpflichtung.
Wir sehen keine andere Möglichkeit, um zu zeigen, wie ernst es uns ist.

Um welche Vergehen handelt es sich bei den 220 Fällen?
Es geht dabei nicht nur um sexuelle Übergriffe, das ist nur ein kleiner Teil, sondern um alle Fälle von Gewalt und Missbrauch. Häufig handelt es sich um Gewalt in der Erziehung und Ausbeutung der Kinder und Jugendlichen. Sie mussten beispielsweise in Werkstätten arbeiten, und zwar nicht zur Ausbildung, sondern für den Profit anderer.

Welche Schlüsse zieht die Kirche daraus?
Dass man keine abgeschotteten Systeme zulassen darf. Man muss sie öffnen und kontrollieren. Ein weiterer Schritt war, dass wir die Kinder- und die Gewaltschutzrichtlinie in die Ausbildung von Pfarrpersonen und Jugendarbeitenden aufgenommen haben. Und schliesslich haben wir eine Ombudsstelle eingerichtet, an die sich Personen wenden können, die einen Übergriff erlebt haben.

Österreich arbeitete schon vor vielen anderen Ländern Missbräuche im institutionellen Umfeld auf. Was gab den Ausschlag?
Der grosse Skandal um den Wiener Kardinal Hans Groër* hat in den 1990er-Jahren das Thema medial ins Rollen gebracht. Was folgte, war eine Aufarbeitung quer durch die Republik Österreich – meistens in Zusammenarbeit mit dem «Weissen Ring». Die evangelische Kirche, die Stadt Wien und die Ministerien Justiz und Bildung sowie die Wiener Krankenanstalten leiteten sie ein, ebenso wie die katholische Kirche.

Mit welchen Ergebnissen?
Weil die Aufarbeitung so breit stattfand, gibt es seit 2017 in Österreich die Heimopferrente, für die wir uns mit anderen eingesetzt haben. Damit wird einerseits offiziell das Leid der Betroffenen anerkannt. Andererseits erhalten sie eine monatliche Zuwendung von 403 Euro. Anerkennung und Rente sorgten auch dafür, dass die Dunkelziffer kleiner wurde: Betroffene wagten eher, sich zu melden.

Würden Sie den «österreichischen Weg» auch den reformierten Landeskirchen in der Schweiz empfehlen?
Empfehlen können wir gar nichts. Wir wählten diesen Weg, weil sich Betroffene gemeldet hatten und wir ihnen Genüge tun wollten. Unser Vorgehen hatte den Vorteil, dass wir vom ersten Tag auf die Betroffenen eingehen und quasi gleichzeitig mit der Aufarbeitung beginnen konnten.

*Redaktionelle Anmerkung: Kardinal Hans Groër wurde mehrfacher Missbrauch vorgeworfen, den er bei seiner Arbeit in einem Knabenseminar begangen haben soll. Nach seinem Rücktritt leitete er ein Kloster, bis ihm dort Übergriffe auf erwachsene Mönche vorgeworfen wurden.


Verfasst am: 25.03.24, 11:51
Titel: Bischof und Superintendent schreiben Ökumene-Osterbrief
Autor: MB
Quelle: www.orf.at vom 21.3.2024

Der katholische Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics und der burgenländische evangelische Superintendent Robert Jonischkeit haben gemeinsam einen Osterbrief verfasst, mit dem sie sich an alle katholischen und evangelischen Christen und Christinnen des Burgenlandes wenden.

Die beiden betonen die Verpflichtung, in der Ökumene noch weitere Schritte hin zur Kircheneinheit zu gehen. Zugleich rufen sie die Gläubigen zum karitativen und gesellschaftspolitischen Engagement im Sinne des Evangeliums auf.

Die katholische und evangelische Kirche seien sich in den vergangenen Jahrzehnten nähergekommen, weisen Zsifkovics und Jonischkeit hin. Alte Vorurteile konnten abgebaut, manche Verwerfungen rückgängig gemacht werden.

„Einigkeit hinsichtlich des Zieles“
„Es mag noch unterschiedliche Auffassungen über die richtige Wegfindung geben, doch hinsichtlich des Zieles besteht Einigkeit. Die zentrale Aufgabe der Kirche Christi war, ist und bleibt die Verkündigung des Evangeliums, der Frohen Botschaft, hinein in diese Welt voller Zweifel, in einer Zeit der Krisen und Unsicherheiten, mit allen Abbrüchen und Umbrüchen“, halten die beiden Autoren fest.

Es schmerze, dass die gemeinsame Feier der Eucharistie noch nicht möglich sei. Aber: „Wir haben zumindest erkannt, dass unser Weg dorthin führen muss. In der Nachfolge Jesu dürfen wir dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren.“

Gesellschaftliche Herausforderungen
Beide Kirchen stünden vor den gleichen gesellschaftlichen Herausforderungen. Zsifkovics und Jonischkeit verweisen in diesem Zusammenhang u.a. auf den heiligen Martin von Tours, den Landespatron des Burgenlandes. Sein Vorbild im Glauben und im Tun werde überkonfessionell geschätzt.

„Der heilige Martin lebte in einer Zeit, in der die Kirche Jesu Christi noch ungeteilt war. Sein Einsatz erinnert unsere beiden Kirchen an ihren Auftrag, in der Nachfolge Jesu für alle Menschen dieses Landes da zu sein, besonders für jene, die unsere Hilfe und den Beistand brauchen“, schreiben Zsifkovics und Jonischkeit.

„Frieden stiften“ als Auftrag
Und im Blick auf die Kirchen halten die beiden fest: „Die Mitgliederzahlen sinken, viele Fragen sind offen, die Aufgaben der Kirchen müssen klar definiert, Gottesliebe und Nächstenliebe glaubhaft bezeugt und gelebt werden. Von Gott muss wieder verantwortungsvoll geredet werden. Es geht um ihn. Wir stehen vor großen Aufgaben.“ Es gelte, „Frieden zu stiften, der Gottverlassenheit mit Glauben und Vertrauen zu begegnen, über alle Gräben hinweg Einigkeit und Versöhnung zu leben und Zeugen des Auferstandenen zu werden“.

red, religion.ORF.at/KAP

Verfasst am: 25.03.24, 11:42